Warum es keine „guten“ Kontraktlogistik-Dienstleister geben kann!

Im Rahmen meiner Beratungsaktivitäten, aber auch hinsichtlich meines Engagements für den LogiVisor Award (www.logivisor.com), steht immer wieder die Frage im Vordergrund, was einen „guten“ Dienstleister in der Kontraktlogistik ausmacht. Ich habe die Gelegenheit genutzt, dieser Frage intensiver nachzugehen und auf alle erdenklichen Arten versucht, eine Eingrenzung zu erreichen. Gar nicht so leicht, wie man meinen könnte. Warum?

Im ersten Jahr meiner Ausbildung hat eine kluge Personalerin mich einmal gefragt: „Was ist für Sie Leistung (eines Mitarbeiters)?“ Nach einigem Rumraten hat sie mich auf die einfache Formel gelotst: Leistung ist das Ergebnis von „Können“ und „Wollen“! Damals war es mir nicht klar, aber mittlerweile muss ich eingestehen, dass diese beiden Merkmale in der Praxis tatsächlich häufig den Kern von dem, was wir als „Leistung“ ansehen, treffen. Um hier den Bogen zu schlagen, könnte man nun denken, dass ein „guter“ Kontraktlogistik-Dienstleister ein Unternehmen ist, das „kann“ und „will“. Eine (natürlich gänzlich unwissenschaftliche) Übersetzung habe ich mit dem untenstehenden Schaubild gewagt …

So einfach ist es aber leider nicht, denn wenn wir „guter Dienstleister“ so interpretieren, dass sich darin die Zufriedenheit des Auftraggebers im Rahmen der Dienstleisterauswahl, aber auch in der späteren Zusammenarbeit mit dem Geschäftspartner widerspiegelt, dann hängt diese Wahrnehmung von diversen Faktoren ab. Hier seien nur einige genannt:

  • Erwartungshaltung und Präferenzen des Auftraggebers;
  • Aktuelle Situation, Bedürfnisse, Freiheitsgrade des Auftraggebers;
  • Logistische Kompetenzen und Erfahrung des Auftraggebers in der Dienstleister-Steuerung;
  • Tatsächliche, operative Performance des Dienstleisters;
  • Auftreten/ Agieren der handelnden Personen des Dienstleisters;
  • Gemeinsames “Mindset” und stimmige “Chemie” zwischen den Partnern.

Nicht zufällig liegen diese Faktoren nicht nur in der Sphäre des Dienstleisters, sondern meiner Erfahrung nach häufig noch mehr in der Sphäre des Auftraggebers, vor allem in dessen Erwartungshaltung an den Dienstleistungspartner. Erschwerend kommt hinzu, dass m.E. keines der führenden Kontraktlogistik-Unternehmen präzise zu charakterisieren ist. Natürlich bestehen eine gewisse Kultur und Standards in diesen Unternehmen, aber die Wahrnehmung des Auftraggebers ist doch überwiegend geprägt von der konkreten Organisationseinheit des Unternehmens mit den handelnden Protagonisten im konkreten Projekt. So erlebe ich regelmäßig große Enttäuschungen in der Interaktion mit den Branchen-Größen und erfrischende Begeisterung in der Zusammenarbeit mit kleinen, inhabergeführten Unternehmen – allerdings durchaus auch den umgekehrten Fall.

Folge dessen ist es – entschuldigen Sie die stark vereinfachte Analogie – wie beim Kauf eines teuren Anzugs, den Sie lange tragen wollen. Die einen sind zufrieden mit dem sofort verfügbaren Modell „von der Stange“ aus dem Einzelhandel. Die anderen wenden sich an eine bekannte Kette für Maßkonfektionen und konfigurieren „ihren“ Anzug. Wiederum andere vertrauen nur auf den traditionellen, kleinen Maßschneider, der das Handwerk „von der Pike auf“ gelernt hat und sind bereit, einen hohen Preis für (vermeintliche) Perfektion zu zahlen und bringen die notwendige Geduld bei der Herstellung „ihres“ Anzugs mit. In diesem Beispiel haben alle Handelsformate ihre Berechtigung. Und ob Sie mit dem Standard-Modell zufrieden sind, hängt auch davon ab, ob Sie glücklicherweise eine „Standard-Figur“ haben oder den Maßschneider in jedem Fall benötigen. Darüber hinaus hat das wahrgenommene Preis-Leistungs-Verhältnis sowie der Stand Ihres Bankkontos wahrscheinlich entscheidenden Einfluss auf die Beurteilung der Zufriedenheit mit dem Produkt.

Für die zufriedenstellende Zusammenarbeit mit einem Kontraktlogistik-Dienstleister ist es ebenso. Es kommt als Auftraggeber vor allem darauf an, was Sie erwarten, was Sie sich leisten können/ wollen und wie Sie eine Zusammenarbeit mit dem Dienstleister ausgestalten (können). Und natürlich kann man tendenziell sagen: Je näher sich die Logistikanforderungen an logistischen Standards bewegen, desto weniger werden hochindividuelle Konzeptionsansätze als „wertvoll“ erachtet. Um im Schaubild zu bleiben, kann man meines Erachtens also nicht allgemeingültig feststellen, dass „gute“ Kontraktlogistiker nur diejenigen sind, die dem Typus „Solution Provider/ Innovatoren“ entsprechen. Wenn Sie als Auftraggeber nicht vom Dienstleister mit Ideen und Vorschlägen „getrieben“ werden wollen, sondern die Logistik bereits effektiv und effizient gestaltet ist, fühlen Sie sich vielleicht auch mit dem Typus „professioneller Follower“ wohl.

Die gute Nachricht ist also: Den „guten“ Kontraktlogistik-Dienstleister gibt es in der Form gar nicht – Sie müssen nur den für Sie „richtigen“ Partner finden!

Die schlechte ist aber: Sie müssen sich als Auftraggeber vor einem Outsourcing viel mehr mit Ihren eigenen Erwartungen an die Zusammenarbeit sowie Ihren eigenen Fähigkeiten und Bedürfnissen auseinandersetzen als dies typischerweise im Rahmen von heutigen Ausschreibungen getan wird!

Andere Erfahrungen? Ich freue mich auf Ihr Feedback.
Stephan Meyer