Als Händler die Lagerlogistik – oder besser das logistische „Fulfillment“ – einmal selbst betrieben zu haben, hat m.E. großen Charme. Egal, ob Multi-Channel-Unternehmen, Pure Player oder klassischer Distanzhändler, der Eigenbetrieb der Logistik schärft die Sinne für die Herausforderungen in der Praxis eines nur bedingt planbaren Handelslogistikgeschäftes.

Für die meisten Start-Ups macht die Zusammenarbeit mit Logistik-Dienstleistern zunächst keinen Sinn. Die Kosten sind (noch) zu hoch, die Leistungen und deren Ausmaß im Detail sind (noch) zu unklar und man hat keinen direkten und spontanen Durchgriff auf die Prozesse beim Partner.

Aber, egal welche Art von Unternehmen, irgendwann ergeben sich Skalierungsstufen für die Logistik, die man immer weniger selbst bewältigen kann oder will. Der Anteil an Fachwissen und Praxiserfahrung nimmt kontinuierlich zu. Die Evolution der Logistikabwicklung ist mit zunehmendem Umfang nicht mehr durch ein „Mehr“ an Mitarbeitern, Flächen, konventioneller Lagertechnik und einer gehörigen Portion Enthusiasmus zu stemmen. Zumindest nicht, wenn man nicht alle Fehler in dieser Skalierungsphase unbedingt selbst machen will. Die aktuelle Corona-Lage und der dadurch bedingte Umschwung zu mehr eCommerce, wird viele etablierte Unternehmen zwingen, ihre bisherigen Logistikabwicklungen in hoch-frequente Fulfillment-Center zu transformieren.

Dies ist der Zeitpunkt, an dem ich nur raten kann, kurz innezuhalten und Zeit und Geld in externe Expertise zu investieren. Nicht im Sinne eines umfassenden Logistikprojektes oder einer Dienstleister-Ausschreibung, sondern im ersten Schritt als Investition in einige Manntage im „Sparring“ mit erfahrenen Beratern – diese bringen etwas mit, was Sie selbst nur selten haben können: Eine gesunde emotionale Distanz zum Tagesgeschäft, aber auch umfassendes Wissen zu möglichen Abwicklungsvarianten im Bereich Logistik-Fulfillment. Unterschätzen Sie nicht, wieviel „viel gesehen haben“ Wert ist!

Lassen Sie sich in diesem Schritt bitte keine umfassende Analyse-Phase von den Big Playern der Beratungsszene verkaufen. Setzen Sie im ersten Schritt besser auf Berater mit Background aus der Logistik-Praxis. Wichtig ist m.E. in diesem „Sparring“, zunächst die Grundfrage in der aktuellen Skalierungsphase zu klären, z.B.:

  • Welche Maßnahmen können wir im Eigenbetrieb zur Kapazitätsausweitung (noch) ergreifen?
  • Wie lange tragen uns diese Maßnahmen (noch)?
  • Welche Effekte/ Konsequenzen hätte ein Outsourcing und macht dies überhaupt Sinn?
  • Welche Gestaltungsoptionen hat man beim Outsourcing?
  • Wie könnte eine langfristige Entwicklung aussehen?
  • Welche Möglichkeiten ergeben sich für die Migration vom IST zum SOLL?

Und, noch ein Tipp meinerseits: Setzen Sie nicht nur auf einen reinen Logistik(prozess)berater. Es geht zunächst darum, die Gesamtsituation und die Handlungsoptionen in (a) logistischer, (b) wirtschaftlicher, (c) konzeptionell-strategischer, aber (d) auch rechtlicher Sicht zu erfassen und sichtbar zu machen. Ein Team aus einem Prozess-/ Logistikprofi und einem Strategie-/ Outsourcing-Experten schafft in wenigen Tagen volle Transparenz für Ihre Richtungsentscheidungen zur zukünftigen Logistik und skizziert den praktischen Weg dorthin.

Was meinen Sie?

Stephan Meyer