Mit Schrotpatronen auf Elefantenjagd? Wie man mehr Effizienz im Vertrieb komplexer Dienstleistungen generiert.
Vergeben Sie mir den weidmännischen Titel, aber das Bild vom „Hunter“ ist ja im Vertriebskontext unerträglich viel und m.E. häufig missverständlich ausgewalzt … – aber letztlich habe ich damit Ihre Aufmerksamkeit erreicht, oder?
Nun ist Vertrieb nicht gleich Vertrieb – und der Vertrieb komplexer B2B-Dienstleistungslösungen ist speziell. In Projekten mit Fokus auf das Wachstum derartiger Dienstleistungsunternehmen, wie z.B. der Kontraktlogistik-Dienstleister, existieren typischerweise Wachstumsziele für das Unternehmen, die bereits auf Vertriebsziele heruntergebrochen wurden. Typisch ist dabei: Je ambitionierter diese sind, desto größer ist die Frage des „Wie?“, ergänzt um den Gedanken an mehr Vertriebs-Ressourcen. Aber letztlich ist das der Moment, in dem die Stimmigkeit des „Gesamtsystems Vertrieb“ kontrolliert und mehr Effizienz im Vertrieb erzeugt werden sollte.
Hierzu ist es essenziell, vorab drei wesentliche Eigenarten komplexer Dienstleistungen zu verinnerlichen:
- Enorm hoher Vertriebsaufwand mit langen Anbahnungsdauern.
- Zumeist maßgeschneiderte Lösungen, häufig investitionsintensiv und/oder mit hohem wirtschaftlichem Risiko. Entsprechend sind lange Kontrakt-Dauern vonnöten.
- Signifikante Änderungen der Geschäftsstrukturen nach Vertragsschluss über die gesamte Dauer des Kontraktes bzw. der Zusammenarbeit.
Das bedeutet zwangsläufig, dass – unter Kosten-Nutzen-Gesichtspunkten – nicht alle sich bietenden Geschäftsoptionen verfolgt werden sollten. „Viel hilft viel“ ist hier also fehl am Platz. Vielmehr ist es die Kunst, sich auf wenige (!) Optionen zu konzentrieren, bei denen aber die Erfolgswahrscheinlichkeit im Akquisitionsprozess sehr hoch ist. Klingt banal, aber welche sind das? Setzt man auf die falschen Pferde, wird der Akquisitionserfolg plötzlich homöopathisch und die Geschäftsleitung ungehalten.
Voraussetzung für ein gut eingestelltes „Gesamtsystem Vertrieb“ bei komplexen Dienstleistungen sind m.E. drei Kernelemente:
- Der richtige Vertriebsfokus sowie Profilschärfe in der Außen- und Innensicht,
- die richtige Vertriebsmethodik,
- ein intelligentes Opportunity Assessment.
Die vertriebliche Praxis in Dienstleistungsunternehmen sieht – meiner Erfahrung nach – anders aus. Viel wird kompensiert durch in der Vergangenheit bewährte Vorgehensweisen und das „Bauchgefühl“ der Vertriebsmitarbeiter. Schon nicht schlecht, aber i.d.R. nicht ausreichend, um strategisch-gesteckte Vertriebsziele und ggf. Wachstumssprünge zu erreichen.
Das Lösungs-Design komplexer Dienstleistungen ist Team-Arbeit! Ein tiefes Verständnis des individuellen „Vertriebskonzertes“ des eigenen Unternehmens in der gesamten Führungsmannschaft ist daher unabdingbar für Vertriebserfolg. Die Akquisitionsaufgabe nur einer Abteilung „Vertrieb“, „Sales“ oder „Business Development“ zu überlassen, ist verfehlt – derartige Einheiten haben ein Rolle im „Gesamtsystem“, können und sollen aber nicht autark agieren.
Wie „eint“ man nun aber alle Einheiten auf ein einheitliches Verständnis? Nun, in dem man vor allem das eigenen Dienstleistungsprofil („Profilschärfe“) und den Vertriebsfokus dokumentiert und intern (!) sichtbar macht. Banal ? Sie werden sich wundern, welche emotionalen Reaktionen Sie hervorrufen, wenn Sie einmal glasklar dokumentieren, was sie als Dienstleister zukünftig NICHT mehr oder nur selektiv verfolgen wollen. Aus allen imaginären „Büschen“ klettern protestierende Kollegen und Chefs, die sich noch daran erinnern, dass man aber da mal vor Jahren ein sehr profitables Geschäft hatte und jetzt wollen Sie dies „verbieten“…! Letztlich steht dem „Dienstleister-Herz“ an dieser Stelle die eigene Kreativität und Mentalität im Wege, aus allen möglichen Chancen ein Geschäftsmodell machen zu wollen! Aber: Da müssen Sie durch, wenn Sie Konsens im Unternehmen erzeugen wollen.
Haben Sie diesen emotional schwierigen Schritt geschafft, sollte die Vielzahl der Themen zur Vertriebsmethodik zumindest „einfacher“ zu diskutieren sein.
Gleiches bewirkt obiger Konsens im Übrigen auch hinsichtlich eines funktionierenden Opportunity Assessments. Je klarer allen Beteiligten die Grundlagen sind, desto einfacher und nachvollziehbarer ist typsicherweise auch das Opportunity Assessment. Aber: Verabschieden Sie sich bitte von der Illusion, dass ein solches System bei komplexen Dienstleistungsformen (mit den genannten Eigenarten) über rein objektive und eindeutige Parameter funktioniert und auch noch von einem Junior-Mitarbeiter im „Innendienst“ bearbeitet werden kann.
Die „Intelligenz“ des Opportunity Assessments bringen an dieser Stelle – kein Wunder – die „richtigen“ Mitarbeiter ein. Im besten Fall: Analytische Generalisten mit viel Markt-Erfahrung und großem Vertriebsherz, die aber unaufgeregt den Markt, den Kunden, das Geschäft, aber auch die Fähigkeiten und Kapazitäten des eigenen Unternehmens einschätzen und Ihre subjektive Bewertung professionell kommunizieren können! Tja, keiner hat gesagt, dass es einfach wird… (-:
Klingt nach viel Aufwand? Ja, aber es lohnt sich!
Andere Erfahrungen? Ich freue mich auf Ihr Feedback.
Stephan Meyer