Wenn sich die Erwartungen an das Kontraktlogistik-Outsourcing nicht erfüllt haben: Nachverhandeln statt Ausschreiben!

In meinen Projekten mit Unternehmen, die eine bereits fremdvergebene Lagerlogistik haben, stelle ich ein erstaunliches Phänomen fest: Es scheint sich nach einigen Jahren fast immer eine gewisse Unzufriedenheit mit dem Outsourcing einzustellen. Zumindest zeigt sich eine nicht genau greifbare Enttäuschung, dass die Erwartungen an das Outsourcing bzw. den Dienstleister nicht erfüllt sind.

Jetzt könnte man sagen: Das ist der typische 5-7 Jahres-Zyklus, den wir in vielen Bereichen des wirtschaftlichen Lebens von Unternehmen finden. Ich glaube allerdings, dass sich hier eine recht „normale“, nahezu unvermeidliche, Entwicklung zeigt. Zu Beginn des Outsourcings gibt es noch eine gewisse Euphorie, gefolgt von Kinderkrankheiten in den Abläufen und dem „Einschwingen“ der Strukturen in beiden beteiligten Unternehmen. Typischerweise sind beide Parteien dann froh, den „Kraftakt“ überstanden zu haben und die ständige Interaktion mit dem Dienstleister rückt aus dem Fokus. Ungeachtet dessen, geht aber die „Evolution“ des fremdvergebenen Geschäftes weiter: In kleinen Schritten ändern sich die Rahmenbedingungen, die logistischen Strukturen und Mengengerüste etc. In der Konsequenz ergibt sich somit eine signifikante Abweichung von den ursprünglich vereinbarten Strukturen, den dafür konzipierten Prozessen und letztlich dem vereinbarten Vergütungskonstrukt. Typische Folgen: Einer der Partner ist unzufrieden! Der Auftraggeber erwartet, dass der Dienstleister diese Evolution kompensieren muss. Der Dienstleister erwartet vom Auftraggeber Verständnis für die veränderte Kostensituation und so weiter… Der finale Reflex der Auftraggeber ist leider häufig, bei der nächsten Gelegenheit eine Ausschreibung am Markt zu platzieren.

Aus meiner Erfahrung ist die beschriebene Konstellation vollkommen „normal“. Die Enttäuschung und, in einigen Fällen, auch die Eskalation zwischen den Unternehmen, entsteht vor allem durch die in den Dienstleistungsverträgen nicht vorhandenen Regelungen zur genannten „Evolution“ der Strukturen. Unverbindliche Mengenprojektionen aus Budgets oder Mittelfristplanungen sind natürlich einfach in eine Vertragsanlage aufzunehmen, treffen aber letztlich nie die wahren Veränderungen in der Praxis. Und diese sind zum Verhandlungszeit naturgemäß nicht präzise greifbar! Bisherige Ausschreibungen und Dienstleistungsverträge suggerieren häufig jedoch diese Klarheit über die logistische Zukunft. Nur selten ist in den Verträgen die „Mechanik“ des Umgangs mit derartigen Änderungen hinreichend geregelt, so dass der Auftraggeber langfristig eine bestmögliche Logistikleistung zum bestmöglichen Preis erhält, der Dienstleister aber gleichzeitig eine reale Chance auf profitables Geschäft hat.

Was bedeutet das? Erstens müssen wir in Zukunft bessere Verträge und Vergütungsmodelle konzipieren. Zweitens, muss uns klar sein, dass die Unzufriedenheit irgendwann kommen wird. Und drittens, dass man über konzertierte, gut vorbereitete und faire Nachverhandlungen in den meisten Fällen diese Unzufriedenheit lösen kann! Über diesen Weg spart man sich den Aufwand einer Ausschreibung und das Risiko eines Dienstleister-Wechsels. Funktionieren wird dies aber nur, in professionell durchgeführter Form – auch Aufwand, aber weniger als eine Ausschreibung auf den Markt zu bringen, durch die man bereits Fakten schafft. Sind wir ehrlich: Auf diesem Wege einen Dienstleister zu finden, der vermeintlich preiswerter ist, als der bestehende Partner, geht (fast) immer. Ob dann die realisierte Zusammenarbeit zu mehr Zufriedenheit führt, ist zu beweisen.

Und der Vollständigkeit halber: Sollte sich in der Nachverhandlung keine zufriedenstellende Lösung erreichen lassen, steht der Weg der Ausschreibung immer noch offen!

Klingt nach viel Aufwand? Ja, aber es lohnt sich!

Andere Erfahrungen? Ich freue mich auf Ihr Feedback.
Stephan Meyer